Von Schiras bis an den Persischen Golf

309km, 1,636 m altitude gain (4,578km and 33,988m altitude gain in total)
309km, 1.636 Höhenmeter (4.578km und 33.988m Höhenmeter insgesamt)

12. – 24. November 2015 – In Schiras wollten wir uns nochmals selbst verwöhnen und gönnten uns ein etwas besseres Hotel, um uns zu erholen und auf die letzte Etappe im Iran vorzubereiten. Im Hotel angekommen – einem alten traditionellen Gebäude, das um einen Innenhof herum gebaut ist – verhandelte Johan hart für einen Rabatt von fünf US-Dollar. Nicht gerade viel, aber immerhin. Müde machten wir uns auf den Weg in unser Zimmer. Dazu mussten wir durch enge, sich windende Gässchen radeln, unsere zahlreichen Taschen durch den kompletten Innenhof, der gleichzeitig Restaurant und Lounge war, schleppen und dann nochmals eine enge und steile Treppe hochklettern, um unser Mini-Zimmer zu beziehen. Obwohl alles sehr stilgerecht eingerichtet war, waren wir doch enttäuscht, da wir immerhin 30 US-Dollar für ein extrem kleines Zimmer ohne Bad bezahlen mussten. Daher packten wir am nächsten Morgen unsere Siebensachen wieder, um uns ein anderes Hotel zu suchen. Wieder schleppten wir alles eine Treppe nach unten, durch den Innenhof, bepackten unsere Räder und radelten durch die Gassen zurück zur Rezeption. Die heutige Rezeptionistin bot uns sofort einen weiteren Rabatt von 10 US-Dollar an und so radelten wir wieder zurück und schleppten unsere Taschen ein drittes Mal durch den Innenhof und die steile Treppe hoch.

View from our room
Aussicht aus unserem Zimmer

An diesem Nachmittag teilten uns unsere ‘Jungs’ mit, dass sie bereits am nächsten Tag wieder aufbrechen würden, da ihre Visa leider nicht verlängert wurden und wir luden sie zum Abendessen in unser Hotel ein. Wir tauschten nochmals Fotos und Adressen aus und drehten letzte gemeinsame Videos bevor wir sie endgültig verabschiedeten. Wir hatten eine sehr schöne gemeinsame Zeit und hatten uns sehr an ihre Gesellschaft und ihren großen Appetit gewöhnt – wir hätten nie gedacht, dass es Menschen gibt, die noch mehr essen können als wir –  und waren doch ein bisschen traurig, sie weiterziehen zu lassen. Aber das ist die Kehrseite der Medaille von Reisenden: Wir treffen immer wieder liebe Menschen, lernen sie besser kennen und schätzen und müssen dann wieder Abschied nehmen. Das ist oft sehr schwer, aber der Gedanke, sie irgendwann irgendwo auf der Welt wiederzutreffen, macht das Ganze dann erträglicher. Alles Gute euch beiden!

Schiras hat uns nicht ganz so sehr beeindruckt wie Esfahan, hat sich aber trotzdem gelohnt. Bekannt ist die Stadt für seine Dichter, den Wein und Blumen. Während Wein weder produziert noch konsumiert werden darf – wie übrigens überall im Iran, da Alkohol verboten ist – ist die Stadt voll mit Gärten und Zitrusbäumen, die die Straßenränder säumen. Wir besuchten das Mausoleum und den Schrein des Lichtkönigs, wofür wir sogar einen persönlichen Guide bekamen, der eine Schärpe mit der Aufschrift “International Affairs” (Internationale Angelegenheiten) trug – alleine durften wir das Mausoleum und die Moschee nicht betreten. Ich musste einen Chador tragen und Fotos durften wir auch keine machen. In rasender Geschwindigkeit erklärte uns der Guide  alles Mögliche über den Lichtkönig und seinen Bruder, ich hatte fast Angst, er würde ersticken. Alles ging so schnell, dass wir Gesagtes innerhalb von Minuten wieder vergaßen. Die Moschee betraten wir dann getrennt und ich trat in eine glitzernde Halle ein mit Frauen, die das silberne Gestänge des Schreins und danach ihr Gesicht berührten. Diese Prozedur wurde entlang des kompletten Schreins mehrfach wiederholt. Die Halle selbst sah wunderschön aus, mit kleinen Spiegelmosaiken, die das Licht der Kronleuchter widerspiegelten und dafür sorgen sollten, dass sich die Menschen nicht auf ihr Aussehen, sondern auf Gott konzentrieren, da man sich selbst nicht mehr im Spiegel erkennen konnte. Der ganze Komplex war wunderschön und eine tolle Kombination von alt und neu.

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The only way for me to enter the mosque
Nur mit Chador durfte ich Mausoleum und Moschee betreten

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Wir haben auch das Mausoleum von Hafez besichtigt, einer der berühmtesten Dichter Irans. Man sagt, dass jeder Iraner mindestens drei Bücher besitzt: den Koran, und die gesammelten Gedichte von Hafez und Saadi. Uns wurde auch erzählt, dass die Iraner am Grab sitzen, und Hafez-Gedichte zitieren. Zu unserer größten Enttäuschung sahen wir leider nur stark herausgeputzte Iraner, die mit ihren Selfie-Sticks Selfies machten.

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Eine weitere wunderschöne und friedvolle Sehenswürdigkeit ist die Pink Moschee, bekannt für ihre riesigen farbigen Fenster. Sie wird Pink genannt, da im Inneren viele pinkfarbenen Fliesen verwendet wurden.

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Und hier noch weitere Eindrücke von Schiris: 

The Shiraz fort
Die Festung, mitten in der Stadt

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Und dann war es wieder an der Zeit, weiterzuziehen. Wir hatten uns dieses Mal für eine etwas abgelegenere Route durch die Berge entschieden, um den starken Verkehr zu vermeiden. Am Ende des ersten Tages hielten wir in einem kleinen Dorf, um nach einem Schlafplatz zu suchen. Schnell wurde uns geholfen, und wir wurden zu einer Moschee gebracht – einer riesigen Halle, die in der Mitte durch einen Vorhang getrennt war. Wir richteten uns ein, in einer Ecke das Schlafzimmer und in der Mitte des Raumes, direkt unter der einzigen Lampe, das Esszimmer. Danach begannen wir zu kochen, als plötzlich zwei Männer kamen, uns etwas irritiert anschauten, in der Moschee verschwanden, um ein Tonband mit dem Gebetsaufruf anzuschalten, um dann sofort wieder herauszukommen. Zumindest wussten wir jetzt, dass nicht jeder Gebetsaufruf live stattfindet! Allerdings mussten wir alle unsere Sachen wieder wegräumen, da wir unser Lager in der Frauenmoschee aufgeschlagen hatten. Super! Während ich weiterkochte, räumte Johan alles so gut es ging in eine Ecke. Kurz darauf kamen dann auch fünf Frauen, um in unserem Schlafzimmer für ungefähr zehn Minuten zu beten und gingen dann wieder. Während wir aßen, fanden sich auf der Männerseite noch ein Paar weitere Männer ein. Nachdem alle mit dem Beten fertig waren, wurden wir von bestimmt zehn Familienoberhäupten eingeladen, doch besser bei ihnen zu nächtigen. Wir lehnten ab, hatten wir so gar keine Lust, wieder alles einzupacken und umzuziehen. Dafür wurden uns dann aber zwei Jungs an die Seite gestellt, die im Männerabteil schlafen sollten, damit uns auch ja nichts passierte. Am nächsten Morgen hatte Johan dann eine etwas unschöne politische Diskussion mit einem der Jungs. Es ging um das Thema Zensur, und dass der Iran Fernsehsender wie BBC und CNN nicht zulässt. Er war tatsächlich überzeugt, dass dies das einzig Richtige sei, da die US-Regierung ja extrem schlecht sei und den Islamischen Staat unterstütze. Zum Glück haben wir nicht sehr viele so gehirngewaschenen Menschen im Iran getroffen.

At 'our' mosque
Früh morgens in ‘unserer’ Moschee
Ready to leave
Fertig für einen neuen Tag

Die Route, die wir uns ausgesucht hatten, war einsamer und schöner, als wir dachten. Ganze zwei Tage hatten wir kein Mobilnetz und Verkehr gab es auch kaum. Wir radelten durch eine steinige und sehr bergige Wüste und die Landschaft änderte sich ständig von baumgesäumten Straßen bis hin zu kargen Bergen, wo kein Leben möglich scheint. Manchmal sah die Landschaft mit ihren vielen kleinen Erhebungen aus wie eine große Baustelle mit aufgehäuften Schotterbergen. In der letzten größeren Stadt durften wir in einem Hotelgarten zelten, dies aber erst nach einer langen und sehr unfreundlichen Diskussion mit den Hotelmanagern. Die folgenden Nächte verbrachten wir zum ersten Mal bei iranischen Familien, da wir keine guten Zeltplätze finden konnten. Die zweite Familie warnte uns vor der Küste, dort gäbe es viele Ali Babas und zwei Radfahren seien wohl erst vor Kurzem dort überfallen worden. Mit gemischten Gefühlen und verunsichert fuhren wir am nächsten Tag weiter, da wir nicht wussten, wie wir den letzten Teil unserer Reise durch den Iran gestalten sollten.

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We're not really fond of tunnels
Auch eine Möglichkeit, um eine Straße fahruntauglich zu machen
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Johans neues Fortbewegungsmittel
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Bienenstöcke in den Bergen

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Natürlich gegen den Wind – was sonst?

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We're not so fond of tunnels
Tunnel finden wir nicht wirklich toll, sind in den Bergen aber oft unumgänglich

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Our campsite at the hotel garden
Zelten im Hotelgarten unter Orangenbäumen

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Local nomads

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Lokale Nomaden

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The first family we stayed with
Bei unserer ersten Familie…
...and whith who we had a wonderful evening.
…mit der wir einen wunderschönen Abend verbrachten. 

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A road just for the two of us - unfortunately only for about 10km
Eine Straße nur für uns beide – leider aber nur für ungefähr 10 Kilometer. 
Super yummy food: Rice, chicken with French fries, raw vegetable salad and prawns
Super leckeres Essen: Reis, Hähnchen mit Pommes, Gemüsesalat und Garnelen 
With our hosts - the men from the gas station
Mit unseren Gastgebern – die Männer von der Tankstelle 
And the second family - the ones who were worried about Ali Baba at the coast
Bei der zweiten Familie – die sich vor Ali Baba an der Küste fürchteten! 

Familienglück

515km, 2.480 m altitude gain (4,268km and 32,352m altitude gain in total)
515km, 2.480 Höhenmeter (insgesamt 4.268km und 32.352 Höhenmeter)

6. – 16. November 2015 – Esfahan ist die wichtigste Touristenattraktion im Iran aus gutem Grund. Wir waren fasziniert von den historischen Basaren, von den vielen Baumalleen mitten in der Stadt, vom einzigartigen Imam-Platz (übrigens Zweitgrößter weltweit!), vom armenischen Viertel, von den schönen historischen Brücken und der Freitagsmoschee, die eher einem Museum für islamische Architektur gleicht. Wir haben ganze fünf Tage hier verbracht um uns auszuruhen, die Stadt anzuschauen, Souvenirs zu kaufen, unsere Iran-Visa zu verlängern und um unsere Batterien mit gutem, aber oft auch wenig gesundem Essen aufzuladen. Um ehrlich zu sein, haben wir fast jeden Tag Hamburger oder Ähnliches gegessen! Snackbars boomen überall im Iran und Hamburger, Hot Dogs, Falafel Sandwiches & Co. sind hier mittlerweile fast so alltäglich wie Kebab.

Der großartige Imam-Platz: 

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At a mosque
Vor einer Moschee auf dem Platz

Imam square

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School kids
Schülerinnen-Ausflug

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Auf dem Basar: DSCF2755

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Curry!
Curry!

In unserem Hostel haben wir unseren ersten Radreisenden im Iran, Jakob aus Stuttgart getroffen und uns mit ihm rege ausgetauscht. Wir trafen dort auch auf einen Iraner, der nach französisch sprechenden Touristen Ausschau hielt. Da ich die einzige war, übte er mir mir. Nach den typischen Frage wie “Woher kommt ihr? Wie heißt ihr? Gefällt es euch im Iran?” lud er uns spontan zu sich nach Hause zum Essen ein. Etwas überrumpelt lehnten wir jedoch ab, da wir die wirkliche Absicht des Iraners nicht kannten. War er ein Reiseführer, der auf Kundenschau war? Wollte er sonst irgendetwas von uns? Oder war er doch nur ein weiterer freundlicher Iraner, der uns zeigen wollte, wie gastfreundlich hier doch die Menschen sind? Wir sollten es wohl nie erfahren.

Die Freitagsmoschee: DSCF2653DSCF2836DSCF2698DSCF2895

In Esfahan fiel uns auch zum ersten Mal der übertriebene Schönheitswahn auf, für den die Iraner so bekannt sind. Nirgendwo haben wir so viele Frauen – und übrigens auch Männer – mit Pflastern auf den Nasen und Mundschutz aufgrund einer kürzlich durchgeführten Operation gesehen. Frauen tragen sehr viel Make-Up, rasieren sich ihre Augenbrauen komplett weg, um sie in etwas merkwürdigen, oft eckigen Formen und viel zu kurz nachzuzeichnen. Mittlerweile sehen viele Nasen genau gleich aus und leider werden auch oft die Wangen und Lippen aufgespritzt. Innerhalb von Sekunden konnten wir ein natürliches von einem ‘bearbeiteten’ Gesicht unterscheiden. Für uns ein sehr irritierender und trauriger Trend, wo doch die Iraner eigentlich sehr schöne Menschen sind.

Männermoschee auf dem Imam-Platz:

DSCF2824DSCF2872DSCF2881DSCF2928Am Fluss: 

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With a Polish guy we met at our guesthouse
Diesen Polen haben wir bereits in unserem Hostel getroffen
The dam had been opened just the day of our arrival - before there was no water in the river
Am Tag unserer Ankunft wurden die Schleusen des Damms geöffnet, davor floss hier im Fluss kein Wasser

In der Zwischenzeit wurde es allmählich Winter. Auf einer Höhe von ungefähr 1.500 Metern kletterte das Thermometer tagsüber noch immer auf um die 20 Grad, fiel aber nachts stark ab. Wir mussten immer wieder mit Nachtfrost rechnen, waren aber für den noch immer geringen Niederschlag sehr dankbar.

Noch mehr aus Esfahan: 

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At a fancy restaurant - a former hamam, food was just average though!
In einem coolen Restaurant, das früher einmal ein Hamam war. Leider war das Essen nur mäßig gut.

Am Tag unserer Abreise mussten wir nochmals über den Imam-Platz fahren. Wieder wurden wir mehrfach von Iranern nach Hause eingeladen und wieder lehnten wir ab. Sobald wir auf unseren voll beladenen Rädern sitzen, zählen wir nicht mehr zu den gewöhnlichen Touristen sondern sind eher eine Attraktion, selbst in Touristenhochburgen wie Esfahan.

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Best friends? Not really, we just met and got invited for tea.
Beste Freunde? Nicht wirklich. Nach einem kurzen Pläuschchen wurden wir von ihr zum Tee eingeladen.

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Auf dem Weg aus der Stadt kam uns ein weiterer Radreisender hinterher geradelt – Samuel (19) aus Deutschland war ebenfalls auf dem Weg nach Shiraz und schloss sich uns an. Er ist aus Deutschland bis hierher geradelt und schreibt über seine Abenteuer auf samuelontour.com. Jetzt waren wir endlich eine Familie. Im Iran dürfen Unverheiratete kein Hotelzimmer teilen. Aus diesem Grund erzählten wir auch immer, dass wir verheiratet seien, was natürlich immer gleich die Kinderfrage zur Folge hatte. Eine Verneinung führte dann immer zu betretenem Schweigen. Mit Samuel hatten wir allerdings ein weiteres Problem – nur ein Sohn war natürlich nicht genug!

Leaving Esfahan
Kurz nach Esfahan
With Samuel
Mit Samuel
Always trying to find a good road to cycle - this time a gravel road next to the busy highway without shoulder
Immer auf der Suche nach guten Alternativen – dieses Mal ein Schotterweg neben der verkehrsreichen Hauptstraße ohne Seitenstreifen

An unserem ersten gemeinsamen Abend schliefen wir in einer Moschee. Während unser Organisator Johan das Zimmer inspizierte, wartete ich gemeinsam mit Samuel vor der Moschee. Irgendwann kam ein Mann auf uns zu und stellte die üblichen Fragen. Als er herausfand, dass Samuel weder mein Ehemann (!!!) noch mein Sohn war, wandte er sich Samuel zu, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. An seiner Reaktion war mir klar, dass er wieder einmal ein unmoralisches Angebot von einem schwulen Iraner bekommen hatte. Und das, obwohl die Regierung so stolz erklärt, dass es im Land keine Homosexuellen gäbe – haha! Es dauerte eine Weile, bis der Typ verstand, dass Samuel nicht mit ihm die Kiste springen will. Später erzählte uns Samuel, dass ihm das im Iran bereits öfters passiert sei. Diese Nacht verbrachten wir in einem luxuriösen Zimmer mit Küche, Bad und zwei riesigen Betten. Am Morgen wurde uns das Frühstück serviert und die zehn Dollar, die wir eigentlich hätten bezahlen müssen, bekamen wir auch wieder zurück. Wieder einmal ist es uns sehr gut ergangen!

 

The mosque we stayed at
In dieser Moschee haben wir übernachtet

Je weiter wir uns von Esfahan entfernten, desto schöner und interessanter wurde die Landschaft. Wir befanden uns jetzt auf einem Hochplateau auf ungefähr 2.000 Metern. Die karge, wüstenartige Landschaft wurde in der Ferne von schroffen, teils schneebedeckten Bergen eingerahmt. Der Verkehr wurde auch immer weniger und wir radelten entweder auf Schottenwegen neben der Hauptstraße oder auf einem breiten Seitenstreifen. Wir überquerten einige Pässe, kämpften häufig gegen den Wind, hatten aber manches Mal auch Glück und durften mit dem Wind fahren. 
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Fixing a problem with Samuel's chain
Behebung eines Kettenproblems

Die zweite gemeinsame Nacht mit Samuel verbrachten wir beim Roten Halbmond. Dieses Mal waren wir in einem richtigen Haus untergebracht, bekamen unser eigenes Zimmer und es gab sogar Duschen und eine Küche. Wieder waren wir froh, dass wir im Warmen übernachten konnten. Diese Reise am Rande der Wüste wurde sehr komfortabel, sind wir doch davon ausgegangen, dass wir die fünf Tage ohne Duschen und sonstigen Luxus verbringen würden.

We are family!
Eine richtige Familie!
Second breakfast only shortly after our first, our porridge wasn't filling enough
Zweites Frühstück, nachdem unser Porridge scheinbar nicht genug war
Johan having fun on the road
Ich will Spaß, ich will Spaß…

Am dritten Tag nach Esfahan verbrachten wir die längste Zeit im Sattel und radelten auch die meisten Kilometer. Fast den ganzen Tag ging es bergauf und der Gegenwind machte die Sache nicht einfacher. Ich fuhr fast den ganzen Tag entweder in Johans oder Samuels Windschatten, um mir die Arbeit zu erleichtern und die Wartezeiten für die beiden zu verkürzen. Mir macht das allerdings keinen wirklichen Spaß, den ganzen Tag auf den Rücken des Vorausfahrenden zu schauen, auch wenn es Johans Rücken ist! Gegen 16 Uhr erreichten wir dann den Gipfel auf ungefähr 2,500m, mussten bis zur nächsten Stadt aber noch 25km radeln. Da es fast ausschließlich bergab ging, schafften wir das in einer Stunde. Kaputt und ausgekühlt fragten wir nach Übernachtungsmöglichkeiten und wir wurden zu einem Haus gefahren, in dem dreckige Zimmer vermietet wurden. Für etwas mehr als 10 EUR blieben wir, obwohl Samuel mit unserer Entscheidung nicht glücklich war, da ein zu bezahlendes Zimmer weder abenteuerlich noch interessant ist. Am Ende waren wir dann aber doch alle froh, in einem warmen Zimmer zu übernachten, anstelle unser Zelt im Dunkeln im Park bei eisigen Temperaturen aufzuschlagen.

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Den nächsten Morgen ließen wir gemächlich angehen und trotz Badezimmer duschte nur Samuel. Heute wollten wir Pasergardae erreichen, die Grabstelle von Kyros dem Großen. An einem weiteren Pass trafen wir Jakob (19), noch einen deutschen Radfahrer, der sich unserer kleinen Familie anschloss. Jetzt waren wir nach iranischen Maßstäben endlich eine richtige Familie! Pasargadae ist als Touristenattraktion nicht sehr bekannt und bis auf das Grab auch ein wenig langweilig. Trotzdem verbrachten wir einige Stunden und überzeugten Jakob später, mit uns hinter einem Restaurant zu zelten. Am nächsten Morgen waren Landschaft und unsere Zelte wie mit Zuckerguss überzogen – alles war weiß und sehr mystisch, aber leider auch sehr kalt. Zum Glück konnten wir unsere Zelte und Schlafsäcke im völlig überheizten Restaurant trocknen. Das fiel uns übrigens überall auf: plötzlich wurde wie verrückt geheizt – mit für uns extrem unangenehmen Temperaturen von oft über 25 Grad.

Samuel and Jakob
Samuel und Jakob
Lunch with Samuel and Jakob at Pasergardae
Mittagessen mit Samuel und Jakob in Pasergardae
Cyrus' tomb
Das Grab Kyros des Großen

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Freezing cold!
Arschkalt!

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Nachdem wir einen halben Tag nur bergab rollten, auf einer Straße, die sich durch einen riesigen Canyon schlängelte, erreichten wir Persepolis, Unesco Weltkulturerbe und einer unserer kulturellen Höhepunkte im Iran. Persepolis war die Hauptstadt des achaemenidischen Imperiums, gegründet von Darius I 515 v.Chr. Er hat einen beeindruckenden Palastkomplex mit monumentalen Treppenaufgängen, exquisiten Reliefs, markanten Toren und massiven Säulen geschaffen, das keine Zweifel offen lies, wie groß diese Imperium einmal gewesen sein muss. Erst 1931 wurde der gesamte Komplex wiederentdeckt, bis dahin war alles mit Staub und Sand bedeckt.

Second breakfast for our hungry boys, coffee for the older ones
Zweites Frühstück für unsere hungrigen Jungs, Kaffee für die Alten

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Onion harvest
Zwiebelernte

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Persepolis: 

For the family album :-)
Für’s Familienalbum 🙂

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Trying to take a picture without disturbing glass in front
Der Versuch zu fotografieren, ohne störendes Glas im Vordergrund

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Noch einmal zelteten wir alle zusammen auf einem offiziellen Zeltplatz unter Pinienbäumen in der Nähe der Persepolis-Ruinen und fuhren am nächsten Morgen erst weiter, nachdem wir nochmals einen letzten Blick auf Persepolis geworfen hatten. Kurz nach unserem Aufbruch verloren wir allerdings unsere ‘Kinder’, die Shiraz offensichtlich so schnell wie möglich erreichen wollten. Also fuhren wir wieder alleine, über zwei kleine Berge, bevor wir endlich in Shiraz einrollten. Auf diesem Streckenteil war der Verkehr grausam und das Fahrradfahren hat nicht wirklich Spaß gemacht und so waren wir froh, als wir endlich unser Hotel erreichten.

Samuel hat zwei Videos unserer gemeinsamen Zeit veröffentlicht, die ihr hier anschauen könnt: Video 1 und Video 2.

Getting closer to Shiraz
Auf dem Weg nach Shiraz

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Durch die Wüste Irans

Bildschirmfoto 2015-12-25 um 11.48.30
619km, 2.659 Höhenmeter ( insgesamt 3.753km und 29.872 Höhenmeter)

25. Oktober – 5. November 2015 – Nach einer sehr schlecht geschlafenen Nacht mit lärmenden Nachbarn waren wir trotzdem um 8 Uhr startklar. Plötzlich kamen zwei Reporter der lokalen Zeitung auf uns zugestürmt, und begannen, uns zu interviewen ohne uns zu fragen, ob wir das auch wollten. Nach einer halben Stunde, vielen Fragen und Fotos machten konnten wir uns endlich auf den Weg – aber erst, nachdem wir eine Riesentüte mit Rosinen und Walnüssen verstaut hatten – ein Geschenk der Journalisten. Sie filmten uns noch, wie wir aus der Stadt rausfuhren und riefen uns “Good luck” hinterher. Jetzt freuten wir uns auf die Wüste und etwas ruhigere Straßen und die nächtlichen Sternenhimmel. In der ersten Nacht zelteten wir hinter verlassenen Ställen abseits der Straße. Als wir kochten, kam plötzlich ein Mann in seinem Auto angefahren und sprach minutenlang in Farsi auf Johan ein. Als ihm dann endlich klar wurde, dass Johan kein Wort verstand, zog er wieder von dannen. Wir wunderten uns noch eine Weile, wie er uns hatte finden können, da wir einem kleinen Sandpfad in die Wüste folgten und hinter den Ställen waren wir eigentlich von der Straße aus nicht zu sehen.

This is our daily bread - not that you are mistaking this for new scarves
Unser tägliches Brot, das am Besten frisch gegessen wird, da es sich nach ein Paar Stunden anfühlt, als kaue man auf Pappkarton.
Photo session at the mosque
Fotosession in der Moschee
One of the reporters
Reporter 1 und Fotograf…
...and reporter 2, the English teacher, asking all the questions.
…und Reporter 2, der Englischlehrer, der die Fragen stellte mit unseren Rosinen und Walnüssen..

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Finally an empty road
Endlich leere Straßen
There is still some life in the desert
Es gibt noch Leben in der Wüste
Who's the camel?
Wer ist hier das Kamel?
Wonderful camping in the middle of nowhere
Wunderbarer Zeltplatz
Preparing breakfast...
Frühstück wird vorbereitet…
Breakfast at a what we thought well-hidden place
…und schnell verzehrt!
A typical desert village
Ein typisches Wüstendorf

Tagsüber kletterten die Temperaturen weit über 30 Grad und ein wolkenloser Himmel und die baumlose Wüste boten keinerlei Schatten. Immer wieder hielten Autofahrer an, um uns etwas zu essen zu geben oder um nur nachzufragen, ob alles in Ordnung sei. Eines frühen Nachmittags erreichten wir eine kleine Wüstenstadt, an deren Stadtrand wir von einem Polizeiauto und vier Männern empfangen wurden. Mir wurde zunächst etwas mulmig, nur um dann zu erfahren, dass die Polizisten uns bereits vor ein Paar Stunden gesehen hatten. Da sie selbst kein Englisch sprachen, holten sie sich den Englischlehrer, der uns begrüßte und erklären sollte, wo wir schlafen und essen könnten. Darüber war ich schon äußerst positiv überrascht, haben wir doch so viele Gruselgeschichten von der iranischen Polizei gehört. Als uns dann später der Englischlehrer noch bat, dass wir doch unseren Freunden und Familien zuhause erzählen sollten, dass Iraner gute Menschen seien, waren wir beide sehr gerührt. Und das passierte uns nicht zum ersten Mal. Iraner fühlen sich vom Westen ziemlich missverstanden und sind sehr darauf bedacht, als gastfreundlich und liebenswürdig angesehen zu werden. Oft wurden wir sogar gefragt, ob wir auch denken würden, dass alle Iraner Terroristen seien, da dies ja schließlich das sei, worüber die Medien im Westen berichten.

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Another village
Ein anderes Wüstendorf

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Relaxing at the guesthouse
Mittagspause
Outfit, headwind and heat make for hard desert cycling
Mein Outfit, Gegenwind und Hitze erschweren das Wüstenradeln

Nach drei sehr schweren Tagen durch hügelige und karge Landschaften mit täglichem Gegenwind kamen wir in der Wüstenstadt Tabas an, von wo aus wir den Zug nach Yazd nahmen. Iran ist viermal so groß wie Deutschland oder dreimal so groß wie Frankreich, wodurch es uns zeitlich nicht möglich war, jeden Kilometer per Rad zurückzulegen. Züge im Iran sind übrigens ziemlich cool, die Abfahrtszeiten dagegen ziemlich uncool, was Züge wiederum sehr cool macht, da sie leer sind und sich viel Zugpersonal um wenig Reisende kümmern kann. Unser Zug fuhr um 2 Uhr morgens ab und wir hatten ein eigenes, komfortables Abteil ganz für uns alleine, ein weiteres bekamen unsere Räder. Tatsächlich hatten wir sogar einen ganzen Waggon für uns alleine. Am Morgen frühstückten wir dann im  Bordrestaurant und fühlten uns ein bisschen wie im Orientexpress.

Change of scenery
Endlich ändert sich die Landschaft ein wenig
Sand dunes
Sanddünen
Power nap at almost 40 degrees Celsius
Mittagsschläfchen bei ungefähr 40 Grad Celsius

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At the mosque in Tabas
Vor der Moschee in Tabak
The gardens of Tabas
In den Gärten von Tabas
In the mosque
In der Moschee
And the mosque at night
Und die Moschee bei Nacht
Leaving Tabas by train
Mitten in der Nacht am Bahnhof von Tabas
Sleeping in the train...
Ein Schlafplatz im Zug…
...and breakfast with the train staff
…und Frühstück mit dem Zugpersonal.

In Yazd angekommen bezahlten wir die erste Nacht viel zu viel Geld für ein schäbiges Zimmer und dreckige Gemeinschaftsbäder und suchten uns am nächsten Tag ein traditionelles Hotel zum gleichen Preis, allerdings mit eigenem Badezimmer. Yazd zählt zu den touristischen Highlights Irans mit seinen vielen Windtürmen, die sogenannten Badgirs und sich windenden Gassen mit Lehmbauten in der Altstadt. Wir radelten durch ein Labyrinth kleiner Straßen, verliefen uns im riesigen Basar und genossen leckeren Kaffee und gutes Essen in einem der zahlreichen Restaurants mit Dachterrasse und fantastischer Aussicht über die Stadt.

Eindrücke von Yazd: 

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Die berühmten Windtürme von Yazd – diese dienten früher zur Kühlung der Häuser, als es noch keine Klimaanlagen gab.
Cycling through the narrow alleys
Radfahren durch enge Gassen
The view from the roof top cafe at our hotel
Aussicht von der Dachterrasse unseres Hotels
Sweets shop
Süßigkeitenladen
The dome of a mosque
Eine Moscheekuppel
Imam Hossein celebrations
Imam Hossain-Feierlichkeiten

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Praying
Beten

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At the Zoroastrian Fire Temple where it is believed that a flame has been burning for over 1,500 years
Zoroastrischer Feuertempel, in dem eine Flamme anscheinend seit über 1.500 Jahren ununterbrochen brennt.
At the bazaar
Basar

Von Yazd ging es dann weiter in Richtung Norden, nach Esfahan. Leider drehte auch der Wind und blies jetzt auf einmal aus dem Norden. Schlecht gelaunt fuhren wir trotzdem weiter. Wind ist für Radfahrer so mit das unwillkommenste und meist gehasste Element. Annika von Tasting Travels hat das in einem ihrer Blogs einmal sehr schön formuliert: Berge sind fair, da man sich nach einem langen Anstieg auch immer auf die Abfahrt freuen kann. Anders ist das mit Gegenwind, der am nächsten Tag nicht automatisch zu Rückenwind wird. Trotzdem gaben wir nicht auf und radelten bis mittags weiter, um die wenig touristische Lehmstadt Meybod und ihre alte Zitadelle, die es anscheinend seit 4000 v.Chr. gibt, zu besichtigen.  .

Roadside billboards
Ein typisches Plakat am Straßenrand…
...and another one!
…und noch so eines!
At the Maybod castle
Zitadelle von Meybod
Always searching for the perfect shot :-)
Immer auf der Suche nach dem perfekten Foto!
The castle in its full glory or what's left from it
Die Zitadelle in voller Pracht oder das, was davon noch übrig ist.
Johan successfully hiding his new and far too short haircut. In fact, I wasn't allowed to take his picture for the coming three weeks!!!
Johan versteckt sich erfolgreich hinter seiner Kamera und das wegen seiner neuen und viel zu kurzen Frisur. Ganze drei Wochen durfte ich ihn nicht mehr fotografieren!

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Meybod
Meybod

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Shopping
Einkaufen

Obwohl wir noch immer durch die Wüste fuhren wurde es spürbar Winter. Die Abende und Nächte waren kalt mit Temperaturen um oder unter 0 Grad Celsius und tagsüber kletterten die Temperaturen kaum über 20 Grad. Auf dem Weg nach Esfahan zelteten wir noch zweimal, einmal hinter einer wie wir dachten verlassenen Karawanserei. Nachdem wir unser üppiges Abendmahl von je zwei hartgekochten Eiern verdrückt hatten und wir gerade in unsere Schlafsäcke kriechen wollten, fuhr plötzlich ein Auto vorbei. Scheinbar wohnten doch noch Menschen in der Karawanserei, aber entweder hatten sie uns nicht gesehen oder sie interessierten sich nicht für uns. Jedenfalls ließen sie uns die ganze Nacht über in Ruhe. In der folgenden Nacht zelteten wir in einem Hotelgarten für wenig Geld.

At a police checkpoint. They would always exhibit terribly damaged cars to promote safe driving
Ein Polizei-Checkpoint. Hier werden oft völlig zerstörte Autos ausgestellt, um für sicheres Autofahren zu werben

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Another quiet campspot behind a caravanserai
Ein ruhiger Zeltplatz hinter einer Karawanserei

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Selfie with a 'roadworker'
Selfie mit einem “Straßenarbeiter”
What is he doing there?
Was macht er da?
The truck drivers love their Macks
Die LKW-Fahrer lieben ihre Macks

Aufgrund des starken Gegenwindes kamen wir nur sehr langsam voran und brauchten ganze vier Tage bis Esfahan. Die Landschaft war vergleichsweise langweilig, außerdem mussten wir auf sehr befahrenen Straßen ohne Seitenstreifen fahren. Das führte oft dazu, dass wir bei Gegenverkehr von der Straße runter mussten. Die letzten 40km vor Esfahan waren absolut fürchterlich: starker LKW-Verkehr und Industriegebiete mit Stahl- und Petrochemiefabriken. An diesem Tag dachte ich noch, heute bekommen wir wohl nichts geschenkt, doch auch dieses Mal hatte ich mich getäuscht. Am Stadteingang von Esfahan bekamen wir auf der befahrenen Straße erst zwei Granatäpfel und keine 500m später hielt ein Mann an, um uns ein leckeres Reisgericht zu überreichen. Und in der Innenstadt hielt plötzlich ein weiterer Mann seinen Arm aus dem Fenster, um uns einen kleinen Eimer Reispudding zu schenken. Auch auf diesem Abschnitt unserer Reise haben uns die Iraner sehr verwöhnt!

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We had just finished our second breakfast when this man came over to give us more food. He couldn't stop and each time we accepted something, he would get more out of his car :-)
Wir hatten soeben zum zweiten Mal gefrühstückt, als dieser Mann dazukam, um uns noch mehr Essen zu geben. Jedes Mal, wenn wir etwas akzeptieren, kam er mit etwas anderem an :-).
An old caravanserai along the silk road which can be found every 30 km to 40 km
Eine alte Karawanserei an der Seidenstraße, die es hier alle 30 bis 40 km zu sehen gibt.

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To avoid the worst
Um Schlimmeres zu vermeiden

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And now me?
Und ich jetzt auch noch?
Enjoying our lunch we just got from another nice Iranian next to the busy road
Leckeres Mittagessen am Straßenrand, das uns soeben ein netter Iraner überreichte

Neue Kleider, neue Angewohnheiten – oder wie man sich im Iran eingewöhnt

Daten und Fakten für den Iran:

  • Viermal so groß wie Deutschland oder dreimal so groß wie Frankreich
  • 78 Millionen Einwohner
  • Laut Iran Journal finden im Iran die meisten Schönheitsoperationen der Welt statt. Und wir können das bestätigen: Noch nie haben wir so viele Männer und Frauen mit Pflastern auf den Nasen, Mundschutz oder aufgespritzten Lippen und Wangen gesehen.
  • Nachbarländer: Irak, Türkei, Aserbaidschan und Armenien (Westen und Nordwesten), Turkmenistan (Nord/Nordost), Afghanistan und Pakistan (Osten/Südosten).
  • Iran ist die Wiege einer der ältesten Zivilisationen beginnend mit den Elamitischen Staaten zwischen 3200 – 2800 v.Chr. Die iranischen Meder vereinten das Gebiet in das erste von vielen Imperien 625 v.Chr. und übernahmen die Führerschaft in der Region (Wikipedia).
435km and 2,767m altitude gain (3,211km and 27,414m altitude gain in total)
435km und 2,767m Höhenmeter (insgesamt 3.211km and 27.414m)

13. – 24. Oktober 2015 – Die iranischen Grenzkontrollen waren einfach. Im Niemandsland zog ich mich um, ersetzte kurze Hosen durch lange Hose, kurzes T-Shirt durch lange Tunika und wickelte einen beigen Schal um meinen Kopf. Unsere Visa wurden geprüft und gestempelt und anstelle unser Gepäck zu durchsuchen, hieß uns der zuständige Grenzbeamte im Land recht herzlich willkommen. Nach den letzten für uns sehr merkwürdigen Tagen in Turkmenistan freuten wir uns jetzt auf die iranische Gastfreundschaft, von der wir schon so viel gehört hatten. Aber erst mussten wir durch karge, abgeschiedene und menschenleere Landschaften radeln, bevor wir überhaupt eine Menschenseele treffen sollten. Am Ende dieses Tages hielten wir in einem kleinen heruntergekommenen Dorf, um uns um unseren Schlafplatz zu kümmern. Es dauerte eine geschlagene Stunde bis uns ein Ladenbesitzer einlud, in seinem stark nach Benzin riechenden Lagerraum zu übernachten.

New outfit and two faces that would follow us for the coming two months
Neues Outfit zum Radeln und zwei Gesichter, die uns die nächsten Wochen überall hin begleiten sollten.
On our first day in Iran we had to pass a pitch-dark tunnel. While there was not traffic at all before, several trucks passed me in the tunnel - tunnels are always the worst experiences wherever you are
Gleich am ersten Tag im Iran mussten wir einen stockdunklen Tunnel durchfahren. Und obwohl bisher die ganze Zeit überhaupt kein Verkehr war, wurde ich von mehreren LKWs im Tunnel überholt – Tunnel sind immer die schrecklichsten Erfahrungen, egal in welchem Land!
The barren landscape
Die karge Landschaft

Wir fuhren am nächsten Morgen früh weiter, noch immer den Geruch von Benzin in den Nasen. Der Verkehr hatte plötzlich stark zugenommen, da wir uns nun auf der wichtigsten Transitroute für LKWs zwischen Turkmenistan und der Türkei befanden. Nach den vielen ruhigen Straßen mussten wir uns erst wieder an viel Verkehr und Dieselgeruch gewöhnen. Unsere Ankunft in Quchan, unserer ersten Stadt im Iran, war sehr merkwürdig fühlte. Bisher hatten wir keine einzige Frau gesehen und plötzlich wimmelte es nur so von Frauen, eingehüllt in ihre schwarzen Chadors. Wir wurden angestarrt, ich glaube nicht, dass hier schon viele Touristen durchgekommen sind. Wann immer jemand des Englischen mächtig war, wurden wir angesprochen und immer wurde gefragt, ob wir irgendwelche Hilfe bräuchten. Ein freundliches Ehepaar half mir, ein neues Radoutfit zu kaufen und begleitete uns in viele verschiedenen Läden, bis ich etwas Passendes zum Radeln gefunden hatte. Auch in diesen farbenfrohen Kleidern fühlte ich mich noch ein wenig unwohl, aber die Iranerin meinte, ich müsse auf keinen Fall schwarz tragen wie all die anderen Frauen hier. Sie selbst würde das auch nur zur Arbeit und offiziellen Anlässen so handhaben. Das beruhigte mich erst einmal, da ich nicht unbedingt von der Moralpolizei wegen unsittlicher Garderobe verhaftet werden wollte.

At our first Iranian 'homestay'
Unser erster iranischer ‘Homestay’
Pretty cycling with pretty barren landscapes
Schönes Radeln bei schöner, schroffer Landschaft
Where is the black sheep?
Wo ist das schwarze Schaf oder ist es doch eine Ziege?
One of the first villages close to Quchan
Unser erstes Dorf in der Nähe von Quchan
Arriving in Quchan - a typical black religious banner
Ankunft in Quchan – mit einem typischen, schwarzen, religiösen Banner
A woman - finally! And a billboard with men that died in the Irak war. You will find these pictures at the entrance of every village and town in Iran.
Eine Frau – endlich! Und ein Plakat mit den Gesichtern von Männern, die während des Iran/Irak-Krieges gefallen sind. Diese Bilder sieht man überall am Ortseingang von Städten und Dörfern.

Mehr Schwierigkeiten hatte ich allerdings, mich an das Kopftuch zu gewöhnen und mehr als einmal rutschte es mir von den Haaren, was ich nur aufgrund des Grinsens der Leute um mich herum bemerkte. Diese Reaktion bestätigte mir dann auch, dass sich viele Iraner nicht darum scheren, wie Touristen gekleidet sind und ich fühlte mich dann auch gleich wohler. Und die Ganzkörperverhüllung hat auch ihre Vorteile: Sonnencreme brauchte ich nur noch für Gesicht und Hände, Bad-Hair-Days gehörten der Vergangenheit an und was noch viel besser war, meine Haare wurden nicht mehr so dreckig von den Abgasen, ich sparte also auch Haarshampoo. Außerdem setzte ich meinen Radhelm jetzt immer auf, da ansonsten der Schal weggeweht wäre.

Woran wir uns aber absolut nicht gewöhnen konnten war die plötzlich Zensur, und dass wir keinen freien Zugang zu Informationen mehr bekamen. Nicht nur Facebook und unsere Blog-Website waren für uns gesperrt, auch Nachrichtenseiten, die wir mehr als einmal besuchten, wurden automatisch blockiert. Das Internet war außerdem extrem langsam und funktionierte oft selbst in Großstädten überhaupt nicht. In diesem Land ist alles unter Regierungskontrolle.

My new outfit - over time you might notice that this is getting shorter and shorter as it would shrink with every washing :-(
Mein neues Outfit – ihr werdet im Laufe der Zeit merken, dass das Shirt immer kürzer wird, da es mit jedem Waschen mehr einlief 😦

Wir waren mittlerweile auf dem Weg in die iranische Wüste, mussten aber erst noch ein Paar Bergkämme überqueren. Bisher warteten wir vergeblich auf die so berühmte iranische Gastfreundschaft, denn wir stellten keine spürbare Veränderung gegenüber Zentral- oder Südostasien fest. Das sollte sich schnell ändern. Wir mühten uns gerade an einem Berg ab und zu unserer positiven Überraschung blies der kalte Wind mal von hinten. Oben angekommen, hielten wir an einer Polizeikontrolle und wurden mit heißem Tee begrüßt. Im nächsten Dorf, wo wir Mittagessen wollten, lud uns der Englischlehrer zu sich nach Hause ein, um bei ihm zu übernachten. Wir lehnten allerdings ab, da wir den Rückenwind ausnutzen wollten, der bei uns ja selten genug vorkommt. Die Landschaft hat uns sehr an Kirgisistan erinnert mit seinen rötlichen, rauen Bergen und der kargen Vegetation. Ungefähr zehn Kilometer vor Ankunft – es wurde schon leicht dämmrig – tauchte plötzlich ein Polizeiauto auf, eskortierte uns in die Stadt und organisierte uns sogar einen kostenlosen Schlafplatz bei einer Raststätte für LKW-Fahrer, wo wir zur Abwechslung mal wieder Kebab aßen.

Lunch break with fresh herbal tea and yummy sandwiches
Mittagspause mit frischem Kräutertee und leckeren Sandwiches – und der Versuch uns ans Essen auf dem Boden zu gewöhnen
Potato harvest - there is clearly no lack of workforce
Kartoffelernte – von Personalmangel kann hier nicht die Rede sein

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With our host at the truck stop
Mit dem Restaurantbesitzer beim LKW-Rastplatz

In dieser Nacht regnete es heftig und wir waren froh, nicht im Zelt zu schlafen. Wir freuten uns jetzt auf unseren ersten richtigen Ruhetag in Sabzevar seit Langem, aber erst mussten wir mit müden Beinen und Johan etwas angeschlagen noch einen Pass hochstrampeln. Belohnt wurden wir wieder von tollem Wetter und atemberaubenden, kargen Landschaften. Nach dem Pass wurden die Straßen plötzlich voll und ich fühlte mich auf der engen Straße sehr unwohl, Johan schien das irgendwie gar nichts auszumachen. Unser Ruhetag in Sabzevar wurde zu einer Ruhewoche, da Johan sich eine Grippe eingefangen hatte und die meiste Zeit im Bett verbringen musste.

Coffee break right before the pass
Letzte Stärkung vor dem Pass – Kaffee und Kekse
At this point we thought it would now only go down - but another peak was waiting for us
Hier dachten wir, wir hätten es geschafft, aber eine weitere Steigung wartete um die Ecke

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Arrival in Sabzevar
Ankunft in Sabzevar

Als wir dann endlich wieder weiterfahren konnten, regnete es. Wir fuhren trotzdem los, da wir es hier keinen Tag länger ausgehalten hätten. Zum Regen gesellte sich auch noch Gegenwind und so war der erste Tag nach einer Woche Ruhen sehr beschwerlich. Es regnete immer stärker und die Temperatur fiel drastisch. Gegen Mittag erreichten wir ein Dorf und beim Roten Halbmond, dem islamischen Pendant zum Roten Kreuz, fragten wir, ob wir uns aufwärmen und drinnen essen dürften. Natürlich durften wir das. Vier junge Männer in Uniformen begrüßten uns und setzten uns vor die Heizung. Natürlich durften wir auch nicht unser eigenes Essen auspacken, sondern aßen Dizi mit den Jungs nachdem der iranische Tisch gedeckt war –  eine Plastiktischdecke auf dem Boden. Weder Regen noch Wind ließen am Nachmittag nach und so wurden wir eingeladen, in den Räumlichkeiten des Roten Halbmonds zu übernachten, was wir gerne annahmen. Wir hatten beide nicht wirklich Lust, im Regen zu radeln und noch viel weniger Lust im Regen zu campen. Zufällig war dieser Tag auch der Beginn der zehn Tage andauernden Imam Hossain Passionsspiele und am späten Nachmittag kamen dann einige Dorfbewohner mit einer Englischlehrerin vorbei, um uns alle möglichen Fragen zu stellen. Unter anderem, ob wir denn Schwierigkeiten hätten, die iranischen Stehklos zu benutzen. Wir wurden eingeladen, an den Passionsspielen teilzunehmen. Mit dem Auto fuhren wir zur 200m entfernten Moschee. Dann wurden wir nach Männern und Frauen getrennt und ich ging mit der Englischlehrerin in die Frauenmoschee und wurde den bereits über 100 anwesenden Frauen vorgestellt, die in Reihen entlang der Wände eines riesigen Raumes saßen. Alle schauten mich neugierig an und wunderten sich wahrscheinlich, was ich Paradiesvogel in meinen bunten Kleidern unter den vielen schwarzen Gestalten wohl zu suchen hätte. Wir setzten uns dazu und dann wurde auch gleich wieder der Tisch ausgerollt und das Essen serviert: Brot mit Joghurt, Dizi, das ist eine fette Suppe, in die erst Brot eingetunkt wird und danach Hammelfleisch und Gemüse. Die Hauptattraktion war noch immer ich, alle starrten mich an, lächelten und freuten sich, dass ich dabei war. Nach einem kurzen Gebet einer Frau und der Antwort vom Rest der Frauen standen alle auf, umringten mich, um mit mir fotografiert zu werden und gingen dann nach Hause. Das Ganze dauerte nicht länger als eine Stunde und sollte danach noch ganze zehn Tage andauern. Ich war ein wenig enttäuscht, denn am Nachmittag sah ich im Fernsehen, wie sich Männer in schwarz bei einer Prozession selbst kasteiten und ich dachte, so etwas ähnliches würde hier auch passieren. Und bei Johan lief das Ganze ähnlich ab, wie er mir später erzählte.

Saffron
Safran – die Pflanze sieht aus wie Krokus
The two well-known guys again!
Drei Wohl-Bekannte

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Lunch at the Red Crescent
Mittagessen beim Roten Halbmond
Johan was welcomed by the local youngsters like a football star
Johan wurde von den Jugendlichen wie ein Fußballstar begrüßt

Nach einer etwas länger dauernden Fotosession fuhren wir am nächsten Morgen bei schönem, eisigen Wetter und mit Gegenwind los. Wir fuhren wieder einmal in Richtung Berge und es ging bis 15 Uhr bergauf. Danach liefen die verbleibenden 40km wie am Schnürchen – wir hatten starken Rückenwind und außerdem ging es nur noch bergab. Das war auch gut so, denn wir wollten unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit in Bardaskan ankommen. An diesem Tag erhielten wir jedes Mal, wenn wir anhielten, etwas zu essen. Am Ende des Tage hatten wir zehn Granatäpfel, drei Äpfel, zwei Gurken, ein Reispudding-Dessert, drei volle Tüten mit Pistazien, Schokolade, vier Mandarinen, besondere Kekse aus Kashmar und weiter Kekse eingesammelt. So allmählich bekamen wir ein Gefühl für die iranische Gastfreundlichkeit. In Bardaskan bekamen wir ein Zimmer in der Moschee, wo wir auch die Gemeinschaftsduschen nutzen konnten. Als wir unser Abendessen vorbereiteten, klopfte es und die jungen Männer, die uns zuvor den Weg zur Moschee gezeigt hatten, brachten uns eine große Dose Kekse und luden uns zu sich nach Hause ein. Mit schlechtem Gewissen lehnten wir ab, denn wir wollten am nächsten Morgen früh aufstehen, da ein langer Tag vor uns lag.

Our room at the Red Crescent
Unser Zimmer beim Roten Halbmond
The very basic facilities!
Die sehr einfachen Container des Roten Halbmonds
...and climbing...
Langsam geht es nach oben,…
...and climbing...
…und nach oben…
...and climbing...
…und immer noch nach oben,…
...stopping for another important photo shoot
… wir halten für ein weiteres wichtiges Foto,…
...with some rolling landscape in between...
…genießen zwischendurch ein wenig Auf und Ab…
...and finally and happily descending.
…und freuen uns schließlich auf die lange Abfahrt.

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Our room at the mosque
Unser Zimmer in der Moschee
What's left from our donations
Ein Teil unserer Ausbeute